ICH WAR IHM HÖRIG - Giorgio Stegani

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Prisma
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ICH WAR IHM HÖRIG - Giorgio Stegani

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ICH WAR IHM HÖRIG


● DISPOSTA A TUTTO / ICH WAR IHM HÖRIG (I|1977)
mit Eleonora Giorgi, Bekim Fehmiu, Laura De Marchi, Barbara Magnolfi, Vittorio Duse, Marisa Bonolis, u.a.
eine Produktion der ATA Cine TV Produzione
ein Film von Giorgio Stegani

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»Doch es gibt einen Grund. Deine Augen.«


Als die unerfahrene Studentin Anna (Eleonora Giorgi) eines Tages nicht zur Schule geht, trifft sie den wesentlich älteren Mark (Bekim Fehmiu) in einem Park. Sofort ist er fasziniert von der unschuldig wirkenden und sich nahezu unterwürfig verhaltenden jungen Frau, sodass wenig später eine leidenschaftliche Beziehung beginnt. Der verheiratete Mark setzt allerdings vollkommen andere Maßstäbe, da er austesten will, wie weit er mit seiner neuen Freundin gehen kann. Was mit gewagten Sexspielen beginnt, artet schon bald in unersättlicher Gier nach immer neuen Extremsituationen aus, bis er schließlich von ihr verlangt, sie beim Sex mit einer anderen beobachten zu können, sie außerdem auf den Strich schickt. Irgendwann merkt Anna, dass sie ihrem Liebhaber nie genügen wird und flieht aus der Abhängigkeit nach Venedig...

Bei Giorgio Steganis "Ich war ihm hörig" hat man es ohne zu übertreiben mit einem der großen Beiträge im Kreis der italienischen Liebes-Geschichten zu tun. Groß deswegen, weil es zu einer Darstellung kommt, die trotz der offensiven Provokation und der teils überspitzten Inhalte eines der greifbareren Psychogramme seiner Protagonisten zeichnet, dabei aber vollkommen ohne den immer wieder gerne und meist vollkommen verzerrt dargestellten Normalfall - wie eine Romanze zu funktionieren hat - auskommt. Wie funktionieren Romanzen eigentlich? Giorgio Steganis Film versucht eine von unzähligen Möglichkeiten zu finden, zu schildern, greifbar zu machen. Überaus beachtlich und erfrischend ist hier die Tatsache, dass sich die Geschichte eines systematisch klaren Aufbaus bedient, der nicht wie üblich an Klischees und Sentimentalitäten zu ersticken droht, sodass der Zuschauer im Finale bestenfalls ein nicht suggeriertes und daher echtes Gefühl als Fazit mit auf den Weg bekommt. Das gewisse Etwas trifft auf dem Anschein nach auf die hoffnungslose Desillusionierung, es entsteht Neugierde, es kommt zum Revue passieren lassen von Erfahrungen; das Austesten von Grenzen nimmt seinen Lauf. Was als einfaches Spiel anfängt, wird schon bald pikanter Ernst, doch das Gefühl der Gefühle kann immer nur separat wahrgenommen werden, aber nie gemeinsam. Dem Zuschauer ergeht es ebenso und man wünscht sich schon bald einen Verlauf ohne Komplikationen. Der Film beginnt mit dem ersten Treffen der Protagonisten, durch von der Sonne aufgeheizte Kamera-Einstellungen, und die verspielt wirkende Szenerie kommt sofort eine ganz besondere Atmosphäre auf, die Vertrautheit vermittelt, Intimität und Träume ausmalt. Die dargestellte Ausgelassenheit wirkt dominant und wird mit tiefschürfenden Dialogen verfeinert. Dennoch hängt irgendwie bereits im Vorfeld ein Schatten auf dem Szenario, vermutlich weil man immer noch an den Titel des Films denken muss, bis es auch bald schon zu ersten Andeutungen kommt, denen eindeutige Taten folgen.

Den Schatten der Wahrnehmung wirft der Protagonist Bekim Fehmiu; dem Eindruck nach ein Mann, der längst mit allen Wassern der Erfahrung gewaschen ist, was ihn zum emotionalen Zyniker machte. Entstanden ist daher ein Tunnelblick, in dem die Dinge nicht mehr herkömmlich betrachtet werden können. Seine Ehe langweilt ihn, da es dort nichts Neues mehr zu entdecken gibt, oder jemals gab, weil er dort nicht das ausleben kann, worauf er im Endeffekt aus ist. Anna ist daher nicht nur die willkommene Abwechslung, sondern eine Art Spielball seiner Impulsivität, der geheimen Wünsche und des Verlangens nach extremen Aktionen. Für den Zuschauer entstehen bei fortlaufender Handlung, und trotz aller Ästhetik der Inszenierung, ziemlich ungemütliche Momente, da Anna sich zu nahezu allem bereit zeigt, was ihr Liebhaber, und dem Empfinden nach gleichzeitig auch Zuhälter, von ihr verlangt. Warum willigt sie in jede noch so unverständliche Situation ein? Eine Frage, die man sich immer wieder stellt. Es ist im Endeffekt ziemlich einfach, denn nicht Mark ist es, der mit seinem Handeln ein erkennbares Ziel vor Augen hat. Am Ende ist es Anna, die nie aufhört daran zu glauben, dass sie das erwünschte Gefühl bei ihrem Partner hervorrufen kann. Dabei bedenkt sie allerdings nicht, dass der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach ist, und eine gewöhnliche Nutte eben nicht lange genug interessant sein wird. Dennoch nimmt die Situation der isoliert voneinander ablaufenden Stimmungen, Gefühle und Wünsche ihren mitreißenden Lauf und mündet in ein subtiles, aber genau so beeindruckendes Finale in Venedig. Giorgio Steganis edle Inszenierung reiht sich mühelos in den Kreis der beachtenswerten italienischen Beiträge ein und besticht durch seine herrlichen Bildkompositionen, die melancholische Musik und die besonders dichten Charakterzeichnungen, die eine eigenartige Starre transportieren. "Ich war ihm hörig" ist daher ein sehr beeindruckender Film über das Was-zählt-ist-die-Liebe-Prinzip, doch noch beeindruckender wird die Frage heraus gearbeitet, was schließlich passiert, wenn das alles mal wieder nicht genug war.

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