QUARTA PARETE - THE FOURTH WALL - Adriano Bolzoni

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Richie Pistilli
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QUARTA PARETE - THE FOURTH WALL - Adriano Bolzoni

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Quarta parete (IT)
La limite du péché (F)
Barreras de pecado (ES)
De grens van de zonde (BE)
The Fourth Wall
Walls of Sin

IT 1969

R: Adriano Bolzoni
D: Paolo Turco, Tery Hare, Françoise Prévost, Peter Lawford, Don Backy, Corinne Fontaine, Carla Romanelli, Bernard Blier, Paolo Carlini, Giuseppe Castellano, Alicia Brandet, Umberto D'Orsi u.a.



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Italienische Erstaufführung: Mai 1969

Locations

Score: Detto Mariano
& Don Backy

Eskalierende Träume

Hard Sensations

OFDb



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Nachdem Marco Baroni (Paolo Turco) ein Studium an einer britischen Uni absolvierte, kehrt er nach vier langen Jahren von der Insel nach Rom in den Schoß seiner Familie zurück, wo er sich aber von der ersten Minute an Fehl am Platz fühlt. Der Grund für sein negatives Empfinden liegt in erster Linie an den in seinen Augen unmoralischen Verhaltensweisen seiner Familie, denn während sich sein Vater (Peter Lawford) zu einem eiskalten Kapitalisten entwickelt hat, bei dem bereits ab einem € die Freundschaft endet, vergnügt sich seine Mutter (Françoise Prévost) vornehmlich mit Whisky und dem Gärtner. Im Gegenzug unterhält sein Vater ebenfalls ein Verhältnis mit einer jüngeren Dame, und zwar mit seiner Sekretärin Helen (Alicia Brandet). Dann wäre da auch noch Marcos Schwester Marcia (Tery Hare), zu der er bis dato ein mehr als inniges Verhältnis pflegte, aber angesichts ihres freizügigen Lebenswandels als Fotomodell löst auch ihre Person bei ihm ein Gefühl des Unbehagens aus. Je länger sich Marco im Kreis seiner Familie aufhält, desto mehr schlägt sein negatives Empfinden in Richtung Verachtung um, was wiederum über kurz oder lang dazu führt, dass sich seine angestaute Anspannung letztendlich in eine zerstörerische Gewalt wandelt.


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Obwohl ich die Intention des Regisseurs nicht klar nachvollziehen kann, mit der er das Drehbuch für seinen Film schrieb, beeindruckte mich QUARTA PARETE immens. Adriano Bolzoni, der in erster Linie als Drehbuchautor tätig war (bspw. THE MAN WITH ICEY EYES, YOUR VICE IS A LOCKED DOOR AND ONLY I HAVE THE KEY, SILBERSATTEL, IN DER GEWALT DES KINDERMÖRDERS, KAMPF UM DIE 5. GALAXIS) erzählt in seinem Film die Geschichte eines jungen Mannes, der aufgrund seines romantisierten Weltbildes mit den gesellschaftlichen Veränderungen der Moderne erhebliche Probleme hat. Gravierend wird die Sache für ihn, nachdem er wieder von England in den Kreis seiner Familie zurückkehrt und zu seinem größten Entsetzen feststellen muss, dass sich in seinen Augen sowohl seine Eltern als auch seine geliebte Schwester zu verdorbenen Individuen entwickelt haben, die nur den Oberflächlichkeiten des Lebens frönen. Sein Vater, der überzeugend von Peter Lawford verkörpert wird, hat sich in den vier Jahren seiner Abwesenheit zu einem gewissenlosen Kapitalisten entwickelt, dem offenbar jegliches Mitgefühl für in Not geratene Mitmenschen abhanden kam, die infolge der kapitalistischen Spielregeln unverschuldet ins Abseits gerieten. Zudem amüsiert er sich vornehmlich mit seiner Sekretärin anstatt mit seiner Ehefrau, die sich wiederum ihrerseits entsprechend mit Alkohol sowie dem Gärtner des Hauses tröstet. Zu seiner Schwester Marcia hegte Marco bis dahin ein sehr inniges Verhältnis, doch infolge ihres zwischenzeitlich offenherzigen Lebenswandels, was sich insbesondere in ihrem ausufernden Sexualleben niederschlägt, fällt auch sie bei ihrem sensiblen Bruder in Ungnade. Dabei mutete die Beziehung der beiden Geschwister bereits im Vorfeld als etwas befremdent an, denn offensichtlich löst bereits der Anblick des adretten Schwesterleins bei Marco sexuelle Gefühle aus, die er aber im Rahmen seiner romatisierten Weltsicht für sich tabuisierte. Doch als Marcia im weiteren Handlungsverlauf leichtfertig das Tabu brechen möchte, löst dies bei Marco eine befremdliche Paranoia aus, infolge derer das familiäre Trauerspiel schlussendlich in einem völligen Desaster endet.


Bleibt letztlich weiterhin die Frage, ob Adriano Bolzonis Film als Anklage gegen das gesellschaftliche Klima der Moderne darstellt, oder ob der Regisseur vielmehr die etwaigen Folgen eines paranoiden, jungen Mannes aufzeigen wollte, der aufgrund seines reaktionären Weltbildes am sozialen Wandel der Moderne scheitert. Ich tippe mal auf Letzteres, wobei die korrekte Antwort auch irgendwo dazwischen liegen könnte. Auf jeden Fall begrenzt sich Marcos Problematik nicht auf den engen Kreis seiner Familie, sondern macht sich auch in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Lebens bemerkbar. Als Beispiel dienen hierzu seine Teilnahme an einem revolutionären Studierendenkreis, bei dem er sich offensichtlich ebenfalls Fehl am Platz fühlt, sowie das offenherzige Angebot einer freiheitsliebenden Kommilitonin, welches er als absonderlich und verdorben wahrnimmt. Erwähnenswert wäre auch noch der obskure Drogenexzess sexbessessener Hippies, der gegen Ende des Films in einer abgelegenen Villa vonstattengeht: Auf der Suche nach seiner schwester Marcia gerät Marco in einen ausufernden Partyexzess, bei dem der Regisseur nicht nur die drogengeschwängerten Hippies wie ausgelebte Zombies aussehen lässt, sondern diese auch noch in einem Bett schlafen lässt, das mit einer Hakenkreuzdecke ausgestattet wurde. Agerundet wird das adoleszente Filmspektakel mit einer hervorragenden Fotografie sowie einer brillanten Filmmusik, die zweifelsfrei einem Italo-Western entstammen könnte. Schade, dass von diesem filmischen Glanzstück auch weiterhin nur eine minderprächtige VHS-Fassung existiert.


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