DIE VERGELTUNG DES ROTEN KORSAREN - Primo Zeglio

Von Herkules bis zu den drei Musketieren: Italienische Geschichtsstunden der abenteuerlichen Art
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Sid Vicious
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DIE VERGELTUNG DES ROTEN KORSAREN - Primo Zeglio

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Originaltitel: Il figlio del corsaro rosso
Regisseur: Primo Zeglio
Kamera: Carlo Carlini
Musik: Roman Vlad
Drehbuch: Fede Arnaud, Alberto Liberati, Primo Zeglio
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Wir schreiben den Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Seekriege zwischen Spanien und seinen Kontrahenten sind zwar beendet, doch warten alte wie offene Rechnungen weiterhin ungeduldig darauf, getilgt zu werden. Demzufolge ist Enrico di Ventimiglia auf der Suche nach den Mördern seines Vaters sowie den Entführern seiner Halbschwester, Neala. Das holde Weib ist sich freilich nicht ihrer wahren und edlen Herkunft bewusst und steht - ihrem Status unangemessen - im Zofendienste der Marquesa di Montélimar. Als Graf von Miranda getarnt will der tollkühne Recke (Enrico di Ventimiglia) nun das verfälschte Adelsbildnis von seiner irreleitenden Farbenkombination befreien. Doch Don Juan de Sasebo, ein gerissener Spitzbube, will Kapital aus der Situation schlagen und bringt manch aufrechte Seele in arge Bedrängnis.

Die Firmierung „Die Vergeltung des roten Korsaren“ erweckt den Anschein, dass Primo Zeglios Film dem Piratenfilmgenre verpflichtet ist. Um dieser Konklusion einen ausreichenden Nährboden zu verschaffen, bedarf es freilich keinen außerordentlichen Scharfsinn. Doch geben Sie Obacht, lieber Hobbyfreibeuter, der Sie im stillen Kämmerlein mit Worten hantieren und über deren Bedeutungen sinnieren, denn nachdem der Filmauftakt Ihren Eindruck bestätigt, wechselt Altmeister Zeglio kurz darauf die Karosserie, verabschiedet sich von den maroden Fregatten und lässt sein Vehikel fortan als Mantel- und Degenfilm über die Länder eiern.

In den USA wurde in den 1950ern manch B-Piratenfilm montiert, der an die Konstruktionen der frühen Genreklassiker wie „Unter Piratenflagge“ anknüpfte und simultan Piratencharaktere kreierte, die (wie Captain Blood im genannten Curtiz-Vehikel) eigentlich keine waren. Diese Formel fand auch bei den stiefelländischen Filmregisseuren ihren Anklang, sodass sie (die Formel) mehr oder minder adäquat in die Sujetgestaltungen diverser Historienschinken einfließen konnte. Eines dieser Produkte ist „Die Vergeltung des roten Korsaren“.

Dessen zentraler Held, Enrico di Ventimiglia, reflektiert nicht den freudestrahlenden Swashbuckler mit der leicht barbarischen Färbung, der unter der Totenkopfflagge rezidivierende Piratenfilmmotive zelebriert. Enrico ist weder Pirat noch Akrobat und schon gar kein Rauf- wie Trunkenbold, sondern ein Gentleman und Edelmann sowie ein besonnener Taktiker, der seine Kontrahenten mit ihren eigenen strategischen Waffen schlagen will.

Taktik, List und Intrigen stehen somit über den Actionsequenzen, die eh leicht überschaubar sind. Und sollte es zum Kreuzen der Klingen kommen, dann gestalten sich die Auseinandersetzungen äußerst verhalten und offerieren beileibe nicht die Akrobatik respektive Rasanz, die man aus den Piraten- wie Mantel und Degen-Vehikeln mit denen wir die TV-Nachmittage in unseren Kindestagen, man denke an Siodmaks prachtvollen „Der rote Korsar“, versüßten. In diesem Kontext sei obendrein angemerkt, dass die banale, uneingängige Musik (welche sich herzlich wenig mit einem alten Fahrensmann wie Roman Vlad assoziieren lässt und eher den Anschein erweckt, als sei sie der Music Library entnommen) die Actionsequenzen unnötig ausbremst. Etwas mehr Pfeffer wie eine einhergehende auditive Eingängigkeit hätten dem Film definitiv besser zu Gesicht gestanden und den Gesamteindruck gar aufwerten können.

Erwähnter „Der rote Korsar“, der übrigens nicht mein liebster Piratenfilm ist, denn diese Stelle ist auf ewig mit dem vorzüglichen „Captain Blood“ (USA, 1935) besetzt, übte einen lang nachhallenden Einfluss auf den italienischen wie deutschen Kinoverleih, welche ihn (den Korsaren) über den „Roten Halbmond“ wie über „Monte Forte“ segeln ließen, aus. So firmiert Primo Zeglios „Die Vergeltung des roten Korsaren“ im Original als „Der Sohn des roten Korsaren“ (bitte nicht mit dem gleichnamigen Vehikel von Piero Pierotti verwechseln), was in Blick auf seine Grundkonstellation gar Sinn macht. Der bundesrepublikanische wie der Originaltitel transportieren somit im Groben bereits den Inhalt von Primo Zeglios 1959er Vehikel, denn Enrico di Ventimiglia, der Nachkomme des berüchtigten Roten Korsaren, ist - wer hätte das nicht gedacht (?) - auf der Suche nach Vergeltung.

Neben die Vergeltungsabsicht treten die genreüblichen Ingredienzien wie Liebe, die Identitätsdechiffrierung sowie eine begleitende Intrigenschmiede. Ein kompakter Arbeitskreis, dessen kollektivem Output ich allerdings keine 90-minütige Vollbeschäftigung bestätigen kann. Demgemäß sollten Sie sich auf manchen Durchhänger gefasst machen. Im letzten Filmdrittel gelingt es dem Regisseur und Schichtleiter jedoch die Vitalität seines Vehikels zu potenzieren, sodass die Leitungskurve schlussendlich positive Werte ansteuert.

Primo Zeglio, den man beim Fußball wohl als Sechser einsetzen würde, da er kein Filigrantechniker war und stattdessen mit aufrichtiger Arbeit für einen sauberen Strafraum sorgte, hat manch interessantes Vehikel konstruiert. Der Mann war halt ein Routinier. Er konnte Peplum- wie Piratenfilme, er konnte Western wie Perry Rhodan (den der Journalist und Futurist, Robert Jungk, als „Hitler des Weltraumzeitalters“ bezeichnete!) und er konnte für seine leider geringe Anzahl von Regiearbeiten manch reizvolle Protagonisten verpflichten. So transportiert Lex Barker den charismatischen Gerechtigkeitsfanatiker, der die Vergangenheit möglichst blutarm bereinigen will, um anschließend in den Armen (s)einer holden Maid den Frieden zu genießen. Die Mädels an Barkers respektive Enricos Seite werden von der rassigen Sylvia Lopez sowie der zurückhaltend agierenden Vira Silenti verkörpert. Einen die reibungslose Sichtung gefährdenden Fremdkörper konnte ich innerhalb der Besetzung nicht ausmachen.

Fazit: Primo Zeglio hüllte seine Protagonisten in hübsche wie farbenfrohe Kostüme und lieferte mit „Die Vergeltung des roten Korsaren“ ein erwartungsgemäß solides, an amerikanischen Vorbildern orientiertes, Historienvehikel, welches sich zu 10% als Piraten- und zu 90% als Mantel- und Degenfilm zu erkennen gibt. Resümierend lässt sich sagen, dass die Freunde genannter Filmgenres sowie Lex Barker-Fans das allumfassende Angebot durchaus wohlwollend rezipieren könn(t)en.
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