WETTLAUF GEGEN DEN TOD - Corrado Farina

[Richie Pistilli]

Wettlauf gegen den Tod (D - VHS)
...hanno cambiato faccia (IT)
Han cambiado de cara (ES)
They Have Changed Their Face


IT 1971

R: Corrado Farina
D: Adolfo Celi, Geraldine Hooper, Giuliano Disperati, Amedeo Tommasi, Rosalba Bongiovanni, Corrado Farina u.a.

Deutsche Erstaufführung: Januar 1985 (VHS-Premiere)

Synchronkartei

Italo-Cinema.de

Score: Amedeo Tommasi

IMCDb

OFDb

Wie an jedem Morgen eröffnet der pflichtbewusste Angestellte Dr. Alberto Valle (Giuliano Esperati) seinen Arbeitstag zu Dienstbeginn mit einem Plastikbecher voll frischaufgebrühten Automatenkaffee, den er dann während der Vorbereitung seiner zu erledigenden Arbeitsaufträge genüsslich zu sich nimmt. Doch eines schönen Tages scheint plötzlich alles anders zu sein, denn Dr. Valle wird inmitten seiner allmorgendlichen Vorbereitungszeit völlig überraschend vom Vize-Präsidenten seiner Firma, der A.A.M. (Auto Avio Motors), in den zwanzigsten Stock einbestellt, obwohl er erst gerade die Hälfte seines leckeren Automatenheißgetränks ausgetrunken bekam. Etwas irritiert über den ungewöhnlichen Appell eilt Valle in Windeseile in das Büro des Vize-Präsidenten, um von diesem schließlich den Auftrag zu erhalten, sich schleunigst in der abgelegenen Villa des Besitzers der A.A.M., einem gewissen Giovanni Nosferatu (Adolfo Celi), einzufinden. Der beschwerliche Weg zum Anwesen Nosferatus führt Valle daraufhin nicht nur über nebelverhangene Passstrassen, sondern auch durch gespenstige Bergdörfer, die wie ausgestorben wirken. Zwischendrin macht er auch noch Bekanntschaft mit einer recht freizügigen Anhalterin namens Laura (Francesca Modigliani), die er dann bis zum Ziel seiner Reise als Beifahrerin auch anstandslos mitnimmt. Doch kaum am Anwesen des ominösen Fabrikbesitzers angelangt, erwartet Valle bereits die motorisierte Leibgarde Nosferatus, die ihn daraufhin in ihren weißen Fiat Cinquecentos sitzend den langen Weg vom Tor bis zur Villa geleitet. Was von da an folgt, hätte sich der verantwortungsvolle Angestellte nicht einmal in seinen kühnsten Träumen ausmalen können, denn Valles Zukunft war bereits von seiner Geburt an von fremder Hand bestimmt. Wo ist Alberto Valle hier bloß hinein geraten? Und wie kann es sein, dass sein Gastgeber bereits seit dem Jahr 1801 quietschfidel auf Gottes Erden wandelt?



"Mythen sterben nicht aus, sondern wandeln sich nur" (Giovanni Nosferatu)


So lautet dann auch das Motto des Regiedebüts von Corrado Farina, einem Fachmann aus der Werbebranche der irgendwann dazu überging, Filme zu machen. Leider war die Freude nur von kurzer Dauer, da unsympathische Produzenten Farina bereits bei seiner zweiten Regiearbeit (BABA YAGA - FOLTERGARTEN DER SINNLICHKEIT 2) dazu brachten, die Flinte ganz rasch wieder ins Korn zu werfen - was er dann auch tat, als die dreisten Geldgeber einfach ungefragt eine von ihm unautorisierte Fassung des Films veröffentlichten.


In seinem vorliegenden WETTLAUF MIT DEM TOD wandelt er den gängigen Vampirmythos dahingehend ab, dass sein kapitalistischer 'Blutsauger' -Giovanni Nosferatu (Adolfo Celi)- die geladenen Gäste in keinster Weise zum direkten Aderlass bittet, sondern diesen nur 'sprichwörtlich' das Blut aussaugt, indem er ihnen durch seine perfiden Werbespots eine vorgegaukelte Traumwelt suggeriert und sie somit zum Kauf seiner Waren anstiftet. Sein wichtigstes Instrument zur Ausweitung seiner Macht stellt zweifelsfrei die Werbung dar, womit er dann auch jegliche Räume seiner noblen Villa flutet, wodurch ihm diese zugleich als privater Testmarkt für seine geladenen Gäste zur Verfügung steht. Darüber hinaus widmete sich Farina bereits zu Beginn der 70er brisanten Themen, die gerade heutzutage aktueller denn je sind: personifizierte Werbung, unbändige Datensammelwut, die totale Vergläserung des Menschen und ständige Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen durch Staat und Wirtschaftsunternehmen.


Und angesichts des Gefühls, sich aufgrund der ständig ertönenden Slogans in einer Dauerwerbesendung zu befinden, führt die deutsche Synchronfassung zu einer enormen Aufwertung des Films, da die erklingenden Werbebotschaften von den Sprechern her tatsächlich wie damalige Kinowerbung klingt. Hoffentlich spendiert irgendwann mal ein Label diesem filmischen Glanzstück ein würdiges Release.



Eine ausführliche Filmbesprechung steht übrigens seit heute auch auf Italo-Cinema.de zur Verfügung.

Fazit: "... und auf vielerlei Weise erkennen wir, dass der Kapitalismus alles kontrolliert, dass es weder eine Trennung von Kirche und Staat, noch von Legalität und Illegalität gibt. Und in vielerlei Hinsicht ist dies ein wirklich nachdenklich machender Film, der einem seine eigene Beziehung zum Konsum in Frage stellen lässt. Was ich besonders interessant finde, ist die Tatsache, dass es ein Horrorfilm ist, denn bei Horror dreht es sich unter anderem um Grenzüberschreitung, Blutiges, Illegales, Unartiges, Perverses - aber der Film zeigt, dass dies alles in Ordnung geht, solange es vermarktbar ist." (Corrado Farina).




(Audio-)visuelle Eindrücke:





Gerade bei diesem Film möchte ich angesichts der ständigen Werbeslogans die deutsche Synchronfassung unter keinen Umständen missen, obwohl diese wiederum im Allgemeinen (Sprecher + Sounds) nur recht solide klingt. Inhaltlich wurde sich ziemlich an das Original gehalten. Und daher 'sollte' mein Traumrelease sowohl den italienische Ton als auch die deutsche Synchro mit an Bord haben.


Glücklicherweise wurde die deutsche Filmfassung von jeglichen Kürzungen verschont, dafür aber zwei Musikstücke des eigentlich sehr gefällig klingenden Soundtracks ausgetauscht. Der erste Fall ist absolut nicht nachvollziehbar, denn als Dr. Valle das Büro des Vize-Präsidenten im zwanzigsten Stock der Firmenzentrale betritt, ertönt in der deutschen Synchronfassung anstatt des opulenten und prog-rocklastigen Hauptthemas eine schwülstig klingende 'gute Laune-Melodie', die keinesfalls zur restlichen Filmmusik passt. Ganz anders sieht es im zweiten Fall aus, bei dem das prog-rocklastige Titelthema im Rahmen des abendlichen Spaziergangs zwar erneut weichen musste, dafür aber mit einer erstklassig nachkomponierten Rocknummer ersetzt wurde, die dieses Mal sogar recht gut in den eigentlichen Soundtrack integriert wirkt. (und diese möchte ich eigentlich auch nicht mehr missen)

[Richie Pistilli]

Während dieser außergewöhnliche Horror-Streifen Ende Mai in den USA seine BD-Premiere feiert, sieht es hierzulande mit einer Veröffentlichung leider weiterhin mau aus. Severin veröffentlicht WETTLAUF GEGEN DEN TOD am 30.05.2024 zunächst im Rahmen der zweiten Danza Macabre-Box. Obwohl die Bildqualität nicht die allerbeste zu sein scheint, besteht zumindest zukünftig die Hoffnung, dass irgendwann ein deutsches Filmlabel nachzieht und den wunderbaren Film auch hierzulande in HD auf den Markt bringt.









Technische Daten der BD:

Runtime: 96 mins
Audio: Italian Mono / Optional English Subtitles
Region A
Aspect Ratio: 1.85:1


Special Features:

Audio Commentary With Director Corrado Farina Moderated By Alberto Farina
Audio Commentary With Kat Ellinger, Author of Daughters Of Darkness
The Farina Method – Interview With Film Critic Alberto Farina, Son Of Director Corrado Farina
Bloodsucking Capitalists – Interview With Actor Giuliano Disperati And Editor/Screenwriter Giulio Berruti
Outtakes Of De Sade
Short Films By Corrado Farina
IL FIGLIO DI DRACULA (THE SON OF DRACULA)
GIRO GIRO TONDO (RING AROUND THE ROSIE)
IL CANTICO DELLE CREATURE (THE CANTICLE OF THE CREATURES)
PRAISED BE MY LORD – Documentary Directed By Corrado Farina (84 mins)
Commercials Directed By Corrado Farina





Nostalgische VHS-Fassung [Mondial]:

[Sid Vicious]

Ein sehr ausgefallenes Vehikel, das mich phasenweise gar begeistern konnte. Der Film besitzt Momente, die mich ein wenig an BLUT AN DEN LIPPEN erinnern. Leider besitzt WETTLAUF GEGEN DEN TOD nicht diese eisige Kälte, die Harry Kümels Inszenierung respektive seine visualisierten Räumlichkeiten austrahlen.

Der LSD Werbeclip ist toll.

[Richie Pistilli]

Ein sehr ausgefallenes Vehikel, das mich phasenweise gar begeistern konnte. Der Film besitzt Momente, die mich ein wenig an BLUT AN DEN LIPPEN erinnern. Leider besitzt WETTLAUF GEGEN DEN TOD nicht diese eisige Kälte, die Harry Kümels Inszenierung respektive seine visualisierten Räumlichkeiten austrahlen.

Stimmt. Corrado Farinas Film erinnert von seiner kalten Atmosphäre tatsächlich ein ganz klein wenig an BLUT AN DEN LIPPEN.
Das wirklich herausragende an WETTLAUF GEGEN DEN TOD ist meines Erachtens das unfassbare Handlungsgefüge. Anstatt das schnödes Blut seiner Opfer zu schlürfen, schürt Corrado Farinas 'Nosferatu' viel lieber die insgeheimen Konsumwünsche seiner Opfer an, indem er diesen durch ausgefeilte Werbespots vermeintliche Sehnsüchte und Bedürfnisse zu indoktrinieren versucht. Sozusagen, ein Blutsauger der ganz besonderen Art, zu dessen Besitztümern nicht nur Fabriken, Geschäftsketten oder Warenhäusern zählen, sondern auch noch Banken, Zeitungen, politische Parteien, Oppositionsgruppen und sogar die Polizei. Ein völlig durchgeknalltes Filmspektakel, das in dieser Form wohl einzigartig ist. Ein politischer Horror-Film par excellence!


"Die Leute wissen einfach nicht mehr, was sie essen sollen, was sie lesen sollen, wohin in den Ferien und welche Partei sie wählen sollen. Und ich helfe ihnen zu erkennen, wo ihre Bedürfnisse und ihre wahren Sehnsüchte liegen..., und ich erfülle sie ihnen voll und ganz."




Lesenswertes Interview mit Corrado Farina:

[Per Google ins Deutsche übersetzt]

► Text zeigen

Quelle: http://corradofarina.altervista.org/pagine/ravenna.htm


Aus dem Katalog des Ravenna Nightmare Film Fest 2005
Herausgegeben von Sandro Prostor Koroval



Obwohl Corrado Farina nur bei zwei Spielfilmen Regie führte, ist seine kinematografische Arbeit bei einer großen Zahl anspruchsvoller Kinoliebhaber, die fast überall auf der Welt verstreut sind, bekannt und respektiert. Corrado Farina gehört, ob es Ihnen gefällt oder nicht, nicht zu dieser Generation von Regisseuren des wilden Cinecittà, denn er hat nicht im Geringsten all jene extremen und manchmal überflüssigen Komponenten missbraucht, die das italienische Horrorkino in der ganzen Welt berühmt gemacht haben. Blut und Gewalt sind nicht das Hauptelement seiner Filme. Die Stärke seines Kinos liegt nicht im Splattereffekt , denn Corrado Farinas Kino ist rein psychologische Gewalt. Seine Filme können nicht einmal mit den besten Werken anerkannter Meister wie Bava, Fulci oder Margheriti verglichen werden. Sein Kino ist in einer anderen Welt, es nutzt weder bigotte Elemente noch Aberglauben, um fantastische Geschichten zu konstruieren , denn es ist ein Kino, das uns über die dunkelsten Mäander der Gesellschaft, in der wir leben, erzählt. Wenn wir das Kino von Corrado Farina mit der Arbeit eines anderen italienischen Filmemachers vergleichen würden, wäre es einfacher und vor allem sinnvoller, Aldo Lado in „MALASTRANA“ oder Elio Petri in „DAS VERFLUCHTE HAUS“ zu zitieren, weil er wie sie ein Außenseiter des Phantastischen Horrors war, weil er wie sie das Genre geschickt als Vorwand nutzte .

Erst junger Filmkritiker, dann Autor selbstproduzierter Filme in Super-8, dann Regisseur von Karussells und Dokumentationen . Wie haben Sie den Schritt gewagt, Filmregisseur zu werden?

Ende der 1950er-Jahre gab es Super-8 noch nicht, man verwendete ein herkömmliches umkehrbares 8-mm-Gerät , an dessen Rand nach Abschluss der Montage ein dünner Magnetstreifen für den Ton angebracht wurde. Stattdessen drehten sich die Karussells im negativen Winkel von 35, und als ich das erste Karussell drehte, schien es mir, als hätte ich die Professionalität mit einem Finger berührt. Dann, fünf Jahre später, wurde mir klar, dass Werbung in vielerlei Hinsicht faszinierend, in anderer jedoch absolut befremdlich war: Also fragte ich alle, die ich in Turin kannte, ob sie in Rom jemanden kannten, der in der Welt des Kinos arbeitete, ich kam nach Rom und ich fing an zu telefonieren.

Für kurze Zeit waren Sie auch Comicautor. Können Sie uns von diesem Erlebnis erzählen?

Geschichten zu erzählen, wenn man dazu in der Lage ist, ist eine schöne Sache, egal ob man es mit der Kamera, der Schreibmaschine oder Tusche macht. Neben dem Kino haben mich schon immer Comics fasziniert, und da ich nicht zeichnen kann, lag es nahe, zu versuchen, darüber zu schreiben. Eine meiner ersten Karussellserien (Tiberio Murgia und Viviana Romano, „Miscela Lavazza musica è!“) wurde von Pier Carpi konzipiert, der auch Drehbücher für Diabolik schrieb. Er brachte mich zu den Giussani-Schwestern und ich schrieb ein paar Geschichten, die jedoch ihrer Meinung nach ein zu langsames Tempo hatten und die ich zu einer einzigen Geschichte zusammenfassen musste. Ich habe mich ein wenig in sie verliebt und nach ein paar anderen Erfahrungen, auf die ich nicht sehr stolz bin, habe ich beschlossen, dass es das Beste ist, wieder zur Kamera zurückzukehren.
Die Giussanis waren zwei sehr freundliche und nette Frauen, die immer da waren, um über Blut und brutale Verbrechen mit einer Offenheit zu sprechen, die einen an „Arsen und alte Spitze“ denken ließ. Das Beste, was ich für sie getan habe, war, den Namen Mario Bava („Wer...?“ vorzuschlagen. Ja, weil ihn damals fast niemand kannte) für den Diabolik-Film in Vorbereitung.

Wenn man die Handlung seiner unsichtbaren Super-8-Filme liest, scheinen viele einem fantastischen , manchmal sogar verrückten Genre anzugehören . Möchten Sie uns etwas mitteilen, das vielleicht das Interesse der Öffentlichkeit unseres Festivals wecken könnte?

Ich stimme dem Begriff „fantastisch“ zu, aber ich bevorzuge „grotesk“ gegenüber „wahnsinnig“, obwohl ich eher von „Genre“-Filmen im weitesten Sinne sprechen würde. Tatsächlich gibt es unter meinen 8-mm-Filmen neben einigen weiteren ... sagen wir mal „persönlichen“ Versuchen („autorenhaft“ ist ein starkes Wort) einen Vampirfilm, eine moderne Version von „Rotkäppchen“ und einige Detektivfilme Geschichten, surreale Komödien und Science-Fiction-Filme. Aber wie sagt man es ihnen? Auf meiner Website gibt es jedoch jeweils eine kurze Zusammenfassung .

Er drehte nur zwei Spielfilme, „They Changed Face“ und „Baba Yaga“, beide aus dem Horror -Genre . Obwohl sie sich in der Handlung und der Erzählstruktur unterscheiden mögen, haben sie als gemeinsamen Nenner nicht nur den fantastischen Horror , sondern vor allem das Bedürfnis, unangepasstes Denken zum Ausdruck zu bringen. Kurz gesagt, aus einer bestimmten Perspektive könnten sie eher wie politische Filme als wie Horrorfilme wirken ... Was hat Sie dazu bewogen, die beiden Genres zu kombinieren, persönliche Interessen oder Marktbedürfnisse, wenn man bedenkt, dass damals der Wind von 1968 noch stark wehte?

Der Markt braucht es sicherlich nicht, schauen Sie sich nur die schrecklichen kommerziellen Ergebnisse aller „fantastisch-politischen“ Filme der Zeit an, einschließlich meines (aber es gibt auch Faenza, Agosti und Aliprandi, um nur die zu nennen, die mir da einfallen). ). Nehmen wir an, „Sie veränderten ihr Gesicht“ entstand aus der Schnittstelle zwischen der Lektüre von Marcuse und meiner Liebe zu Vampirfilmen, während in „Baba Yaga“ die politische Komponente vor allem die „radikal-schicke“ Komponente war, die aus Crepax‘ Geschichten stammt (und es war fast vollständig in diesem Geschehen enthalten, das dann im endgültigen Schnitt eliminiert wurde.

Nach „They Changed Face“ gab es auch in Italien einige Beispiele politischen Horrors . Doch anders als der Spaghetti-Western , der in Filme über die mexikanische Revolution, die sogenannten Tortilla- Filme, umgewandelt wurde , konnte sich das politische Horror- Genre nie vollständig durchsetzen. Glauben Sie, dass das vorzeitige Scheitern dieser Fusion auf mangelndes öffentliches Interesse oder auf Produzenten zurückzuführen ist, die ihr Kapital lieber woanders anlegten?

Ehrlich gesagt fallen mir keine anderen Beispiele für politischen Horror ein, alle oben genannten Autoren neigten eher zur Science-Fiction. Bei der Beantwortung der letzten Frage würde ich jedoch das disjunktive „o“ durch ein fortlaufendes „e“ ersetzen. Und ich würde noch hinzufügen, dass wir nicht in der Lage (oder vor allem aus wirtschaftlichen Gründen) sind, neben einer „politischen“ Rede auch ein „Spektakel“ zu veranstalten, das ein größeres Publikum anziehen könnte.

Lieben Sie pures Horrorkino , in seinen Hauptgenres wie Gothic oder Splatter ?

Ich liebte Gothic sehr, vor allem das präzise und professionelle, auch aus formaler Sicht (Fotografie, Bühnenbild, Schauspiel usw.), wie es in Bavas ersten Filmen oder den ersten Hammer-Filmen der Fall war. Allerdings habe ich Splatter nie gemocht: vielleicht aus generationsbedingten Gründen, denn in den Jahren meiner Ausbildung zum Kinozuschauer gab es ihn nicht, oder zumindest nicht so, wie man ihn heute versteht.

Da Sie unendlich viele Karussells geschaffen haben, können wir uns dann erlauben, „They Have Changed Face“, einen Film voller Gehirnwäsche -Werbespots , als Ihren persönlichen „Exorzismus“ aus der Welt der Werbung zu betrachten?

Absolut ja. Es ist die natürliche fiktive Fortsetzung einer Diskussion, die bereits im Jahr zuvor mit einem Dokumentarfilm („I tarli“) geführt wurde, in dem ich im Testa-Studio aufgenommene Bilder mit bissigen Kommentaren von Freud, Packard, Marcuse, Riesman und anderen amerikanischen Soziologen kombinierte . (Sogar die „Stimmen“, die der Protagonist von „They Have Changed Faces“ im Keller der Nosferatu-Villa hört, sind die Titel der Kapitel von „The Hidden Persuaders“ von Vance Packard.) Die „Würmer“ des Titels waren genau die Werbetreibenden, die darauf aus waren, am Gehirn der Verbraucher zu nagen

Stimmt es, dass „They Changed Face“ von einer Genossenschaft produziert wurde, in der jeder, der mitarbeitete, Anteile vom Verkauf erhielt, mit unterschiedlichen Prozentsätzen je nach ausgeführter Aufgabe?

Das stimmt mehr oder weniger, auch wenn die Konjugation des Verbs „nehmen“ falsch ist. Wir müssen den Begriff „nahm“ durch „hätte nehmen sollen“ ersetzen.

Stattdessen war „Baba Yaga“ ein Film mit großen finanziellen Investitionen …

„Groß“ ist ein großes Wort ... „Baba Yaga“ hat, wenn ich mich recht erinnere, ein paar hundert Millionen gekostet: für die damalige Zeit ein mittleres oder mittelniedriges Budget.

Hat „They Changed Face“ neben dem Gewinn des ersten Preises ex aequo beim internationalen Festival in Locarno noch andere Preise anderswo gewonnen?

Ich erinnere mich an einige „eingeladene Veranstaltungen“, darunter einen „Preis der Stadt Rom“, aber auf den ersten Blick kommt es mir nicht so vor, als hätten wir ihn woanders hingeschickt.

Jeder politische Film aus dieser Zeit, der heute gesehen wird – nicht in historischen Kostümen – erscheint veraltet, doch „They Changed Face“ scheint aus vielen Gründen immer jünger zu werden. Wenn Sie sich umschauen, ist Giovanni Nosferatu Ihrer Meinung nach ein aktueller Charakter?

Bedauerlicherweise. Einige seiner Zeilen, wie zum Beispiel „... Die Zeitungen gehören mir... die Polizei gehört mir...“, scheinen jetzt geschrieben zu sein. Ich stimme der schnellen Veralterung aller „Post-1968“-Filme zu: Selbst „They Have Changed Faces“ war rapide gealtert, und nur die Situation, in der sich unser Land (wir könnten aber auch sagen: der gesamte Westen) derzeit befindet hat es leider wieder aktuell gemacht.

Ingenieur Nosferatu, ein mächtiger Geschäftsmann, verkauft ebenfalls legal LSD. Warum wählte er eine psychedelische Substanz als Staatsdroge, und zwar genau in einem historischen Zeitraum, in dem der Staat beschloss, Heroin in Umlauf zu bringen, um die Jugendbewegung zu zerstören?

Eines von Marcuses Postulaten war die Rückgewinnung und Ausbeutung der Opposition durch die Mechanismen des Systems. Die Massenvermarktung von Medikamenten schien mir ein hervorragendes Beispiel für seine Intuition zu sein.

Sind Sie immer noch davon überzeugt, dass „Terror heute Technologie heißt“?

Nicht genau. Aus heutiger Sicht würde ich eher von „Medienkontrolle“ sprechen.

Nosferatu hat als seine „Wachhunde“ malerische und verstörende Handlanger mit Helmen und weißen Overalls, die den Park der Villa an Bord einiger FIAT 500 überwachen, ebenfalls weiß! Eine sehr wirkungsvolle visuelle Idee ... Können Sie uns etwas darüber erzählen?

Nachdem wir die Gleichung Macht = Vampir akzeptiert hatten, ergab sich alles andere von selbst. Die 500er (die Autos selbst, meine ich, und nicht diejenigen, die sie fahren und deren Gesichter nie zu sehen sind, so wie der Fahrer des Lastwagens in „Duell“ nie zu sehen ist) haben die gleiche Funktion als Wachhunde und Killer, die sie haben Wölfe in Bram Stokers Roman. Aus cinephiler Sicht denke ich, dass auch die Biker in Cocteaus „Orpheus“ etwas Besonderes sind.

Mit „Baba Yaga“ war er der erste, der die Figur der Valentina auf die Leinwand brachte. War er auch ein Freund von Crepax oder nur ein einfacher Leser? Warum haben Sie sich für das Abenteuer mit Baba Yaga als Protagonistin entschieden?

Die Bewunderung des einfachen Lesers hatte mich dazu gebracht, den Autor kennenzulernen, und es entstand eine schöne Freundschaft, auch wenn die Bekanntschaften immer eher gelegentlich blieben. Auch die gegenseitige Kritik war immer von Respekt und Zuneigung geprägt: wie die Notizen, die Guido zu bestimmten Aspekten meines Films machte (auf meiner Website gibt es einen Brief von ihm dazu) oder wie die, die ich ihm machte, als es schien Mir fiel auf, dass seine Geschichten einen zu unzusammenhängenden und verschlüsselten Charakter annahmen (einer meiner „Offenen Briefe an Guido Crepax“ wurde irgendwo veröffentlicht, aber wer weiß wo). Was die Wahl von Baba Yaga betrifft, so war es genau die Gothic-Komponente, die mich dazu bewogen hat, mich dafür zu entscheiden. Vielleicht hätte ich die erste Folge von „The Underground“ vorgezogen, aber sie hätte viel mehr gekostet.

Franco Battiato-Schauspieler (der Hippie-Heilige, der in der Eröffnungsszene von „Baba Yaga“ zu sehen ist, leider im finalen Schnitt fehlt): Wie wurde er kontaktiert und wer kam auf die Idee, ihn zu besetzen, Sie oder die Produktion?

Ich weiß es wirklich nicht. Für mich sicher nicht, da ich noch nie von ihm gehört hatte. In Mailand gab es einen Mann, der als unser Verbindungsoffizier in der Gegend fungierte, und er war es, der es mir brachte. Ich fand, dass er ein außergewöhnliches „Gesicht“ und auch ein sehr lustiger Typ war (ich erinnere mich, dass er in Hosen mit Sternenbanner herumlief), und er schien sehr geeignet zu sein, einen der radikal-schicken Demonstranten „à la Crepax“ zu verkörpern. . Er sollte auch bei der Party anwesend sein, die auf das „politische“ Geschehen folgte und im finalen Schnitt zum Beginn des Films wurde, aber er musste gemerkt haben, dass die Figur nicht sehr schmeichelhaft war und bat mich, ihn davon auszunehmen.

Einige Szenenfotos zeugen von der Anwesenheit von Guido Crepax am Set. Hatte er besondere Bedürfnisse? Wie war Ihre Beziehung zwischen Regisseur und Autor des Comics?

Guido besuchte uns eines Abends in der Villa, in der wir die Party drehten (daher die Fotos), aber er beteiligte sich in keiner Weise an der Entstehung des Films.

In einigen Teilen von „Baba Yaga“ gibt es eine Montage, die die typische Abfolge von Crepax-Comics perfekt veranschaulicht (ich beziehe mich insbesondere auf die Details der Augen und des Mundes), was darauf hindeutet, dass es sich um ein sehr genaues Storyboard handelte . Ich habe mich geirrt?

Nein, wenn wir diese Fototafeln, die ich selbst montiert habe, als Storyboards bezeichnen können. Diese Sequenzen sind alles, was von meinem Versuch übrig geblieben ist, die Sprache der Comics für das Kino (in diesem Fall des Crepax-Comics) wiederherzustellen, wie sie es getan haben (aber mehr als dreißig Kalenderjahre und ebenso viele Jahrhunderte von Spezialeffekten später). Miller und Rodriguez in diesem außergewöhnlichen Film „Sin City“.

Stimmt es, dass Sie „Baba Yaga“ nicht als einen Ihrer Filme erkennen, weil er zunächst vom Produzenten manipuliert und dann von der Zensur geschnitten wurde?

Nun, nach einiger Zeit würde ich einen „Haftungsausschluss“ herunterspielen, der mehr aus prinzipiellen Gründen als aus anderen Gründen gemacht wurde. Was inakzeptabel war (und ist), ist, dass ein Film manipuliert wird, ohne den Autor überhaupt zu benachrichtigen. Was die Zensur betrifft, so waren ihre Eingriffe absolut lächerlich, da sie mich dazu zwangen, zwei abendfüllende Akte von De Funès und Baker herauszuschneiden (besonders im ersten, das eine Totale ist, von dem man nur einen dunklen Punkt sehen kann), wahrscheinlich ohne Mir wurde klar, dass der sogenannte „gesunde Menschenverstand für Anstand“ durch die Szene, in der Valentina auf dem Bett in Baba Yagas Dachboden masturbiert, viel stärker in Frage gestellt wurde.

Wenn Ihnen die Gelegenheit geboten würde, einen Director's Cut von „Baba Jaga“ zu bearbeiten, würden Sie, vorausgesetzt, dass nichts von dem Schnitt verloren gegangen ist, mit der gleichen Begeisterung annehmen, die Sie vielleicht damals gehabt hätten?

Vielleicht ja: aber es wäre sicherlich eine ganz andere Montage (und damit ein Film).

Mit uns spricht er über seine Kurzauftritte in seinen Filmen. Warum Wissenschaftler/ Befürworter von LSD in „They Changed Face“ und Nazi-Absolvent in Valentinas Albträumen in „Baba Yaga“?

Es gibt kein „Warum“: Es war ein Spiel, genau wie bei Hitchcock. Schade, dass im Final Cut von „Baba Yaga“ der anfängliche Polizist fast vollständig verschwunden ist. Die Symmetrie zwischen ihm, dem Nazi-Offizier und dem preußischen sollte im Spiel eine Anspielung auf die Kontinuität der polizeilichen Repression sein.

Welche Erinnerungen haben Sie an Adolfo Celi und Caroll Baker, zwei großartige Schauspieler, die die Hauptdarsteller Ihrer Filme waren?

In beiden Fällen ausgezeichnet. Auf professioneller Ebene sehr seriös und auf menschlicher Ebene sehr offen. Auch bei späteren Gelegenheiten habe ich oft festgestellt, dass die Bereitschaft von Schauspielern zu einer persönlichen Beziehung direkt proportional zu ihrem Bekanntheitsgrad ist.

Welche Erinnerung behält er anstelle des zukünftigen Regisseurs Giulio Berruti, seines Co-Autors, Assistenten und Herausgebers? Hatten Sie Gelegenheit, Ihre Filme anzusehen, ich erwähne hier insbesondere „Sister Homicide“?

Wir hatten verschiedene Gemeinsamkeiten, darunter unsere piemontesische Herkunft und die daraus resultierende Entschlossenheit, unsere Arbeit gut zu machen, ohne nach den einfachsten und offensichtlichsten Lösungen zu suchen. Zu „Sister Homicide“, den ich noch nie gesehen habe, kann ich allerdings nichts sagen.

Wenn ich mich nicht irre, haben Sie aufgrund des geringen kommerziellen Erfolgs Ihrer Spielfilme aufgehört, Filmregisseur zu werden. Können Sie uns die Handlung einiger Filme erzählen, die Sie vielleicht machen wollten, aber nicht konnten?

Nochmals: „mild“ ist ein unangemessener Begriff. Der kommerzielle Erfolg meiner Filme war objektiv katastrophal, auch (oder vor allem?) aus Vertriebsgründen. Das hat mich so verbittert, dass ich aufgegeben habe, noch mehr zu machen. Der Wunsch kehrte fünfzehn Jahre später zurück, aber mein dritter Film, „A Place in the Dark“ (der von Franco Cristaldi gekauft und angekündigt wurde), scheiterte praktisch am Vorabend der Dreharbeiten. (Die Geschichte dieses gescheiterten Projekts wird in dem Aufsatz „ The Rape “ erzählt, der sich der Beziehung zwischen Kino und Fernsehen widmet und unveröffentlicht, aber online auf meiner Website verfügbar ist.) Allerdings handelte es sich um eine moderne Neuinterpretation von „Das Phantom der Oper“, genau wie die anderen Filme jeweils von „Dracula“ und – in gewisser Weise – von „Golem“.

Nach „Baba Jaga“ beschäftigte er sich weiterhin mit dem Fernsehen, nicht mehr als Regisseur von Karussells , sondern als Autor von Montagefilmen . Wie war Ihr Verhältnis zum Fernsehen? Wurden Sie noch nie gebeten, Romane zu schreiben ?

Für das Fernsehen (abgesehen von den 20 „Schnitt“-Episoden von „ Italien der Fünfziger “, die mit Guido Crainz für Rai Educational erstellt wurden) habe ich hauptsächlich journalistische Berichte gedreht und oft versucht, sie wieder in die Fiktion zu bringen (wie im Fall eines „Gulliver“) „ Fruttero & Lucentini gewidmet und mit Milva in der Hauptrolle, der zu einem echten „Kurzfilm“ wurde. Ich habe echte TV-Dramen noch nie geliebt, auch wenn ich schon seit einiger Zeit einige gute sehe, was ich gerne tun würde.

Möchten Sie neben Kinofilmen und Eigenproduktionen in Super 8 über einige Ihrer dokumentarischen Arbeiten sprechen, die Ihnen am meisten am Herzen liegen?

Unter den Hunderten von „Dingen“, die ich getan habe, sind die besten im Allgemeinen diejenigen, bei denen mir der Kunde, sei es ein privates Unternehmen oder eine institutionelle Einrichtung, freie Hand gelassen hat. Unter den ersten erinnere ich mich zum Beispiel an „ Alfa 75 Superstar “, in dem ein Alfa-Romeo-Auto in Cinecittà ankommt, um einen Werbespot zu drehen, und sich dann in den verschiedenen Sets verirrt: Es war eine sehr unterhaltsame Art, Filmgenres „neu zu gestalten“. von 007 bis zu Musicals, von „Duell“ bis zu Vampirfilmen und Gangsterfilmen. Unter den Letzteren erinnere ich mich besonders an „ Hundert dieser Jahre “, das für den Vorsitz des Ministerrates im Jahr des 100-jährigen Jubiläums des Kinos geschaffen, in Venedig präsentiert und überall mit großem Beifall aufgenommen wurde. In diesem Video habe ich Vittorio Gassman nur mit der Bearbeitung von Blitzlichtern aus verschiedenen Filmen dazu gebracht, die Geschichte des italienischen Kinos in einem Theater zu erzählen, in dem sich die berühmtesten Kinoschauspieler aller Zeiten und Länder versammelt hatten, um ihm zuzuhören, von Charlie Chaplin bis hin zu Greta Garbo bis hin zu Kevin Costner und Julia Roberts.

Vermissen Sie heutzutage das Kino oder sind Sie angesichts der Tatsache, dass Sie sich seit mehr als zehn Jahren dem literarischen Schreiben widmen, mit Ihrem Weg als Romanautor zufrieden?

Ich vermisse es, natürlich vermisse ich es. Aber die Lage unseres Kinos ist düster, die Aussichten sind noch düsterer und die Tatsache, dass wir mittlerweile über sechzig sind, hilft da sicher nicht weiter. Aber ich habe es seit „A Place in the Dark“ versucht und nicht aufgegeben. Mal sehen, ob es stimmt, dass diejenigen gewinnen, die es ertragen. Meine Tätigkeit als Romanautorin ist sehr befriedigend (aus kreativer Sicht, sicherlich nicht kommerziell), aber sie bleibt im Wesentlichen ein Rückfall, der darauf wartet, in das Kino zurückzukehren, zu dem ich gehöre. Denn zumindest für mich sind die Verbindungen zwischen den beiden Arten des Geschichtenerzählens viel enger, als man denkt.

Ich komme auf die erste Frage zurück: Wie sind Sie Romanautor geworden?

Genau hier. Mein erstes literarisches Experiment war „ A Place in the Dark “, zuerst als Geschichte, dann als Drehbuch und schließlich als Roman geschrieben. Der Rest ergab sich von selbst, nachdem ich herausgefunden hatte, wie viel Freude und Freiheit einem das Schreiben bereitet. Allerdings wurden alle meine nachfolgenden Romane auch mit Blick auf das Kino geboren, mit der primären Funktion, Geschichten zu liefern, die man den Produzenten vorlegen kann (es ist kein Zufall, dass mehr als ein Rezensent geschrieben hat, dass man sie beim Lesen „sehen“ kann). Und das sind immer Geschichten, die sich auf der schmalen Grenze zwischen Genrekino (drei Kriminalromane, eine groteske Komödie und ein Psycho-Noir) und einem eher „persönlichen“ Kino bewegen, oft mit Öffnungen ins Fantastische. In diesem Sinne kann man mit Sicherheit sagen, dass meine Romane die natürliche Fortsetzung meiner beiden Filme aus den Siebzigern sind.

Trailer:

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Der LSD Werbeclip ist toll.

"Das wirklich freie Kino, ist das Kino mit Reklame. Ich sage Euch, Kino mit Werbung ist Kino der Wahrheit.
Glaubt mir, nur die Werbung kann die wahre Psyche des Menschen töten"