● FOLGE 50: TATORT - WODKA BITTER-LEMON (D|1975)
mit Hansjörg Felmy, Karin Eickelbaum, Willy Semmelrogge und Gustl Bayrhammer
Gäste: Claudia Amm, Heinz Bennent, Sky du Mont, Sabine von Maydell, Katharina Seyferth und Margot Trooger sowie Lil Dagover
eine Gemeinschaftsproduktion der ARD | mit dem O.R.F | eine Sendung des NDR
Regie: Franz Peter Wirth
»Wir können ja auch übers Wetter reden!«
Der Fabrikant Martin Koenen (Heinz Bennent) nimmt ein junges Mädchen (Sabine von Maydell) nach deren Disco-Besuch auf einen Drink zu sich mit nach Hause. Es stellt sich heraus, dass sie eine Auszubildende in seinem Betrieb ist. Koenen nimmt diese Nachricht unter Schock auf, da er an seine Reputation denken muss. Um sich zu sammeln, verlässt er den Raum, doch wenig später ist die junge Frau tot. Er verliert die Nerven, alarmiert nicht die Polizei, und er schafft die Leiche weg. Die Untersuchungen von Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) ergeben schließlich, dass es sich um einen Giftmord handelt und die Spur führt zunächst in den Betrieb und unmittelbar danach in die Koenen-Villa. Dort sieht sich Haferkamp mit einer eigenartigen Familien-Dynastie konfrontiert, bei der sich insbesondere die Schwester (Margot Trooger) des mittlerweile mordverdächtigen Martin Koenen als schwierige Kontrahentin bei den Erhebungen herausstellt. Auch seine Frau Petra (Claudia Amm) hinterlässt einen merkwürdig abgeklärten Eindruck, doch ist das Motiv tatsächlich Eifersucht? Dies erscheint Kommissar Haferkamp der Erfahrung nach zu einfach zu sein...
Diese 1975 unter der Regie von Franz Peter Wirth entstandene fünfzigste Folge gilt als stiller Klassiker der "Tatort"-Reihe. Wo die Besetzung ohnehin für sich selbst spricht, hat man es darüber hinaus mit einem sehr raffinierten Kriminalfall zu tun, bei dem vor allem das mühsame Aufschlüsseln sehr interessant dargestellt wird. Einen besonderen Charme erhält "Wodka Bitter-Lemon" durch die interessanten Schauplätze, wie beispielsweise die Koenen-Villa, die Firma oder die Anlaufstellen für die bessere Gesellschaft, aber vor allem das letzte Drittel auf Sylt wird zum großen Genuss. Wieder einmal gibt es ein Crossover und in einer kurzen Sequenz ist der Münchner Kollegen Veigl zu sehen, der Auskünfte bei der Überprüfung eines Alibis erteilt. Die kluge Inszenierung lässt trotz einer ruhigen Herangehensweise keine signifikanten Längen oder Leerlauf aufkommen, und für das Gelingen ist über weite Strecken Hansjörg Felmy mit verantwortlich. Es ist als großes Glück anzusehen, dass man mit ihm einen sehr prägnanten "Tatort"-Kommissar zur Verfügung hatte, dessen Strategie stets transparent für den Zuschauer vermittelt wird, und dessen Kraft in der Ruhe liegt. Er hört zu, beobachtet, filtert wichtige Informationen intuitiv aus Gesprächen heraus, zieht seine Schlüsse mit glasklarem Verstand sowie gesundem Verständnis, und dabei ist er kein Freund irgendwelcher fragwürdigen Tricks. Er wirkt souverän und fair. Die Privatperson Haferkamp wird im Zusammensein mit Karin Eickelbaum, seiner geschiedenen Frau, die spontan und sympathisch wirkt, sehr gut gezeichnet, und insgesamt wirken Geschichte und Personen sehr ausgewogen und greifbar. Die erweiterte Besetzung ist hier eine wahre Pracht. Wo soll man bei diesem Aufgebot bloß anfangen und wer hinterlässt den bemerkenswertesten Eindruck?
Es ist Vorweg zu nehmen, dass die Riege der Darsteller auf höchstem Niveau funktioniert. Ganz ausgezeichnet präsentiert sich Claudia Amm als Petra Koenen, die jüngere Ehefrau des Mordverdächtigen. Sie, die sich angeblich zur Tatzeit in München befand, kommt zurück in ein Haus, in dem sie seit jeher nur als Fremdkörper angesehen wird. Sie erträgt diesen fast klaustrophobischen Zustand seit geraumer Zeit und quittiert dies mit einer offensiven Unempfindlichkeit gegenüber allen Rahmenbedingungen. Claudia Amm wirkt besonders in den Gesprächen mit Hansjörg Felmy sehr kühl und distanziert und lässt dabei auch Raum für nachdenkliche Tendenzen. Sie wirkt geheimnisvoll. Oftmals betont sie, dass sie mit ihren Aufgaben und Pflichten vertraut sei, funktioniert daher auch wie es von ihr verlangt wird. Ihre Schwägerin Adele meistert die wie immer großartige Margot Trooger, hier leider in ihrer vorletzten Rolle. Als Haferkamp anmerkt, ob man in gewissen Angelegenheiten nicht zuerst Frau Koenen fragen solle, erwidert sie in bissiger Selbstverständlichkeit: »Ich bin Frau Koenen!« Innerhalb der Familie hält sie alle Fäden in der Hand und sie richtet alles so aus, dass Dinge nach ihren Wünschen geschehen. Ihren Bruder Martin hält sie - obwohl er das Unternehmen leitet - für schwach, und sie selbst würde es anscheinend gerne selbst übernehmen, was sich allerdings für eine Frau von Format nicht schickt. So operiert sie aus dem Hinterhalt und torpediert die Ehe ihres Bruders, der sich nicht durchzusetzen vermag. Als Mutter Koenen sieht man die damals fast 90-jährige Lil Dagover in einer ihrer obligatorischsten Rollen. Die dem Anschein nach bereits etwas vergessliche alte Dame zelebriert allerdings noch das, was sie vermutlich ihr ganzes Leben getan hat: Sie legt größten Wert auf Etikette und verliert ich in Oberflächlichkeiten, verabscheut daher direkte Worte.
Wie immer gestikuliert Lil Dagover mit nahezu hoheitsvollen Bewegungen, an ihrer Interpretation sieht man allerdings auch, dass es wohl schon eine größere Anstrengung dargestellt haben muss. Bei den Herren fällt insbesondere Heinz Bennent sehr positiv auf. Warum nahm er gerade in dieser Nacht ein unbekanntes Mädchen mit zu sich nach Hause? Das fragt sich auch Kommissar Haferkamp, und von Martin Koenen bekommt er darauf eine Antwort, die zum Nachdenken verleitet. Dieses Mädchen habe ihn nämlich daran erinnert, wie seine jetzige Frau früher einmal gewesen sei. Die Rahmenbedingungen in der Familie höhlen jeden Beteiligten langsam aber stetig aus, und das schwächste Glied in dieser Kette hat nun einen fatalen Fehler begangen. Doch wo liegt das Motiv? Heinz Bennent zeichnet diese Figur mit Bravour, er wirkt unterjocht, zerbrechlich, aber vor allem aber völlig resigniert und gefangen in ewigen Mustern. Das klassische Pendant zu ihm stellt Sky du Mont dar. Ein Lebemann, ein Playboy der rücksichtslosesten Art, der betuchte Frauen lediglich als temporär gewinnbringende Werkzeuge ansieht. In Besetzungsfragen ist dieser "Tatort" definitiv eine der überzeugenderen Episoden, die man sich vorstellen kann. Fernab dessen ist "Wodka Bitter-Lemon" insgesamt als sehr gut aufgebaut, dabei gekonnt und logisch verschachtelt, und recht aufwendig inszeniert zu bezeichnen. Das Katz-und-Maus-Spiel nimmt in richtigen Momenten ganz klassische Formen an und versucht sich nicht durch unnötige Effekte interessant zu machen. Ein Puzzle-Spiel der perfideren Sorte, das in Verbindung mit einem sehr bitteren und fatalen Denkfehler zu einem grandiosen Finale führt. Als Jubiläumsfolge ist "Wodka Bitter-Lemon" schließlich gelungen, da er sein Augenmerk nicht nur auf ausgesprochene Fans der Reihe richtet.
Diese 1975 unter der Regie von Franz Peter Wirth entstandene fünfzigste Folge gilt als stiller Klassiker der "Tatort"-Reihe. Wo die Besetzung ohnehin für sich selbst spricht, hat man es darüber hinaus mit einem sehr raffinierten Kriminalfall zu tun, bei dem vor allem das mühsame Aufschlüsseln sehr interessant dargestellt wird. Einen besonderen Charme erhält "Wodka Bitter-Lemon" durch die interessanten Schauplätze, wie beispielsweise die Koenen-Villa, die Firma oder die Anlaufstellen für die bessere Gesellschaft, aber vor allem das letzte Drittel auf Sylt wird zum großen Genuss. Wieder einmal gibt es ein Crossover und in einer kurzen Sequenz ist der Münchner Kollegen Veigl zu sehen, der Auskünfte bei der Überprüfung eines Alibis erteilt. Die kluge Inszenierung lässt trotz einer ruhigen Herangehensweise keine signifikanten Längen oder Leerlauf aufkommen, und für das Gelingen ist über weite Strecken Hansjörg Felmy mit verantwortlich. Es ist als großes Glück anzusehen, dass man mit ihm einen sehr prägnanten "Tatort"-Kommissar zur Verfügung hatte, dessen Strategie stets transparent für den Zuschauer vermittelt wird, und dessen Kraft in der Ruhe liegt. Er hört zu, beobachtet, filtert wichtige Informationen intuitiv aus Gesprächen heraus, zieht seine Schlüsse mit glasklarem Verstand sowie gesundem Verständnis, und dabei ist er kein Freund irgendwelcher fragwürdigen Tricks. Er wirkt souverän und fair. Die Privatperson Haferkamp wird im Zusammensein mit Karin Eickelbaum, seiner geschiedenen Frau, die spontan und sympathisch wirkt, sehr gut gezeichnet, und insgesamt wirken Geschichte und Personen sehr ausgewogen und greifbar. Die erweiterte Besetzung ist hier eine wahre Pracht. Wo soll man bei diesem Aufgebot bloß anfangen und wer hinterlässt den bemerkenswertesten Eindruck?
Es ist Vorweg zu nehmen, dass die Riege der Darsteller auf höchstem Niveau funktioniert. Ganz ausgezeichnet präsentiert sich Claudia Amm als Petra Koenen, die jüngere Ehefrau des Mordverdächtigen. Sie, die sich angeblich zur Tatzeit in München befand, kommt zurück in ein Haus, in dem sie seit jeher nur als Fremdkörper angesehen wird. Sie erträgt diesen fast klaustrophobischen Zustand seit geraumer Zeit und quittiert dies mit einer offensiven Unempfindlichkeit gegenüber allen Rahmenbedingungen. Claudia Amm wirkt besonders in den Gesprächen mit Hansjörg Felmy sehr kühl und distanziert und lässt dabei auch Raum für nachdenkliche Tendenzen. Sie wirkt geheimnisvoll. Oftmals betont sie, dass sie mit ihren Aufgaben und Pflichten vertraut sei, funktioniert daher auch wie es von ihr verlangt wird. Ihre Schwägerin Adele meistert die wie immer großartige Margot Trooger, hier leider in ihrer vorletzten Rolle. Als Haferkamp anmerkt, ob man in gewissen Angelegenheiten nicht zuerst Frau Koenen fragen solle, erwidert sie in bissiger Selbstverständlichkeit: »Ich bin Frau Koenen!« Innerhalb der Familie hält sie alle Fäden in der Hand und sie richtet alles so aus, dass Dinge nach ihren Wünschen geschehen. Ihren Bruder Martin hält sie - obwohl er das Unternehmen leitet - für schwach, und sie selbst würde es anscheinend gerne selbst übernehmen, was sich allerdings für eine Frau von Format nicht schickt. So operiert sie aus dem Hinterhalt und torpediert die Ehe ihres Bruders, der sich nicht durchzusetzen vermag. Als Mutter Koenen sieht man die damals fast 90-jährige Lil Dagover in einer ihrer obligatorischsten Rollen. Die dem Anschein nach bereits etwas vergessliche alte Dame zelebriert allerdings noch das, was sie vermutlich ihr ganzes Leben getan hat: Sie legt größten Wert auf Etikette und verliert ich in Oberflächlichkeiten, verabscheut daher direkte Worte.
Wie immer gestikuliert Lil Dagover mit nahezu hoheitsvollen Bewegungen, an ihrer Interpretation sieht man allerdings auch, dass es wohl schon eine größere Anstrengung dargestellt haben muss. Bei den Herren fällt insbesondere Heinz Bennent sehr positiv auf. Warum nahm er gerade in dieser Nacht ein unbekanntes Mädchen mit zu sich nach Hause? Das fragt sich auch Kommissar Haferkamp, und von Martin Koenen bekommt er darauf eine Antwort, die zum Nachdenken verleitet. Dieses Mädchen habe ihn nämlich daran erinnert, wie seine jetzige Frau früher einmal gewesen sei. Die Rahmenbedingungen in der Familie höhlen jeden Beteiligten langsam aber stetig aus, und das schwächste Glied in dieser Kette hat nun einen fatalen Fehler begangen. Doch wo liegt das Motiv? Heinz Bennent zeichnet diese Figur mit Bravour, er wirkt unterjocht, zerbrechlich, aber vor allem aber völlig resigniert und gefangen in ewigen Mustern. Das klassische Pendant zu ihm stellt Sky du Mont dar. Ein Lebemann, ein Playboy der rücksichtslosesten Art, der betuchte Frauen lediglich als temporär gewinnbringende Werkzeuge ansieht. In Besetzungsfragen ist dieser "Tatort" definitiv eine der überzeugenderen Episoden, die man sich vorstellen kann. Fernab dessen ist "Wodka Bitter-Lemon" insgesamt als sehr gut aufgebaut, dabei gekonnt und logisch verschachtelt, und recht aufwendig inszeniert zu bezeichnen. Das Katz-und-Maus-Spiel nimmt in richtigen Momenten ganz klassische Formen an und versucht sich nicht durch unnötige Effekte interessant zu machen. Ein Puzzle-Spiel der perfideren Sorte, das in Verbindung mit einem sehr bitteren und fatalen Denkfehler zu einem grandiosen Finale führt. Als Jubiläumsfolge ist "Wodka Bitter-Lemon" schließlich gelungen, da er sein Augenmerk nicht nur auf ausgesprochene Fans der Reihe richtet.